Alleinsein macht stark! Ich weiß nicht, wie es dir mit dieser Aussage geht, aber ich konnte mir das viele Jahre lang nicht vorstellen. Hatte ich doch genau davor Angst. Ich möchte es einmal so beschreiben: Ich war in den 20 Jahren meiner Ehe so oft so einsam, obwohl ich nicht alleine war, dass es mich körperlich und seelisch geschmerzt hat. Da lag der Gedanke – wie einsam würde ich mich wohl fühlen, wenn ich tatsächlich alleine wäre? – so nahe, dass das meine Angst nur noch angefeuert hat. Lieber also aufrechterhalten, was sich nicht gut anfühlt (da weiß man wenigstens, was man hat), als eine klare Entscheidung zu treffen, von der man nicht weiß, wo sie einen hinführt. Meine Einsamkeit ist der Sehnsucht nach Liebe entsprungen. Danach gesehen und gefühlt zu werden, als die, die ich bin. Das Übel lag dabei wohl eher darin, dass ich genau das selbst nicht konnte. Mich sehen und fühlen. Ich habe nicht den Mut gehabt, mich klar zu positionieren und blieb meine eigene Gefangene im Funktionsmodus.
Alleinsein erfordert Mut
Dem Alleinsein haftet heute eher der Ruf des Verlierers an. Denn wer alleine ist, der scheint keine Freunde zu haben. Frauen, wie ich, die von sich sagen, dass sie keine Partnerschaft brauchen, um glücklich zu sein, wird nachgesagt, sie hätten Angst vor Beziehungen, seien nicht bindungsfähig und auf jeden Fall seltsam. Ich will damit nicht behaupten, dass es sie nicht gibt, die Angst vor Beziehungen, aber das ist ein ganz anderes Thema und hat mit der Stärke, der Einsicht und der Weisheit, die ich durch das Alleinsein gewonnen habe nichts zu tun. Für mich kann ich sagen, dass ich aber die Partnerschaften und Beziehungen gebraucht habe, um zu erkennen, was ich nicht will, um mich dann auf dem weiteren Weg, selbst zu finden.
Alleinsein erfordert Mut. Und zwar in erster Linie den Mut, zu erkennen, was dir gut tut und Klarheit für dich zu schaffen. Und genau dafür brauchen wir einen Zweiten. Einen anderen Menschen, der uns den Spiegel vorhält und uns hilft zu erkennen.
Beziehungen spiegeln uns
In jeder Beziehung finden wir einen Spiegel, der uns unsere eigenen Schwächen zeigt. Wenn wir aufhören, mit dem Finger nach außen zu zeigen, dann bietet sich uns ein ehrliches Feld des Erkennens. All das, was wir an anderen bemängeln, was uns an anderen aufregt, uns missfällt und absolut nervt, finden wir in uns selbst wieder. Wenn wir nur ehrlich genug uns selbst gegenüber sind und bereitwillig nach innen schauen können. Das Wichtigste dabei: Lass die Peitsche im Rucksack und verhau dich nicht selbst für das, was du da siehst. Es mag ein Teil von dir sein, aber das bist nicht du.
Meist ist es nur so, dass wir lieber ganz weit weg von uns schauen, denn alles, was wir als hässlich, ungerecht und unangemessen empfinden, wollen wir auf jeden Fall nicht in uns selbst sehen. Aber es ist da und die Ablehnung und der Widerstand führen uns nur weiter von uns weg und im Zweifel in die gefühlte Einsamkeit, also dorthin, wo wir nicht gerne sein wollen. Wir halten uns in unserem Leid gefangen und haben Angst davor, Entscheidungen zu treffen. Häufig müssen wir jedoch genau über dieses Leid herausfinden, was nicht richtig ist, was nicht länger funktioniert und was sich mit unserer inneren Zielsetzung nicht vereinbaren lässt.
Die Welt der Formen
Wir leben in einer Welt der Dualität und der Form. Alles hat Form und wir geben allem Form, indem wir die Dinge benennen und uns dann damit identifizieren. In unserem kollektiven Bewusstsein hat jeder den Wunsch nach einer Partnerschaft, weil wir uns in uns selbst meist unvollständig fühlen. So glauben wir, dass wir die Erfüllung und somit unsere Vollständigkeit nur in einer Beziehung finden können. Egal, auf welcher Ebene sich diese Beziehungen dann finden. Eine Liebesbeziehung, die Beziehung zu unseren Freunden, Familien, Eltern, Geschwistern, unseren Nachbarn, aber auch die Beziehungen zu unseren Kollegen und Arbeitgebern.
Wir finden uns in Gruppen wieder, und wenn wir nicht unter Menschen sind, dann umgeben wir uns mit eben diesen im weiten Feld des Internets, in den sozialen Medien. Wir haben uns so sehr daran gewöhnt ständig immer und überall beschallt zu werden, dass wir den Blick für die Stille verloren haben. Selbst während gemeinsamer Mahlzeiten läuft im Hintergrund häufig der Fernseher oder das Radio. Schweigen ist für die meisten unerträglich und fühlt sich unangenehm peinlich an.
Der Lärm der Welt
Wann warst du das letzte Mal umgeben von Stille? Nur mit dir selbst und dir selbst genug? Alleinsein macht stark, schenkt dir inneren Frieden und Bewusstsein für dein Sein. Alleinsein ist weit entfernt von der Einsamkeit und doch für viele so nah dran. In diesem ganzen Wahnsinn der Welt, der täglich auf uns niederprasselt, haben wir das Alleinsein verlernt. Und wenn wir es dann sind, alleine mit uns selbst, dann wird das oft als Einsamkeit empfunden. Es scheint irgendwo etwas zu fehlen, dass uns vollständig und wertvoll fühlen lässt. Ungewissheit macht sich breit und wird unerträglich. Aus dieser Ungewissheit wächst die Furcht nicht genug zu sein und lähmt dann vollständig.
Der Lärm der Welt bestimmt unseren Rhythmus, als wären wir kleine Marionetten, die am seidenen Faden hängend, nur darauf warten den nächsten Impuls zu bekommen, den wir dann Leben nennen. Den Sinn des Lebens suchend lechzen wir nach Ablenkung, in der Hoffnung, dass wir uns dann darin irgendwo finden. Wir suchen nach der Balance im Leben und schauen dabei nach außen. Irgendwo muss es doch liegen, das Glück, der Frieden und die Liebe.
Alleinsein macht stark
Das Leben ist komplex und voller Herausforderungen. Manchmal ist es wie ein reißender Fluss – eine Wildwasserbahn – die nie stillsteht und uns ständig in Bewegung hält und uns auch schon einmal den Atem raubt. Wir reiben uns, wie die Kiesel im Flussbett und verlieren unsere Ecken und Kanten. Passen uns an, schnappen kurz an der Oberfläche nach Luft und treiben dann weiter. Den Kopf zu voll, das Herz zu schwer, nicht wissend, wer wir sind und wo wir hinwollen.
Das Alleinsein ist wie eine bunte Blumenwiese, am Rande des Flusses, die dazu einlädt, sich niederzulassen, Ruhe zu finden und den Fluss von außen zu betrachten. Das Alleinsein macht stark, weil es uns hilft, Abstand zu den Dingen zu nehmen und sie von außen anzuschauen. Selbst gewähltes Alleinsein hilft dir, den Weg zu dir selbst zu entdecken und das Bewusstsein des Seins zu erfahren. Frei von äußeren Reizen und Einflüssen.
Im Alleinsein entsteht Raum für dich selbst
Und dieser Raum ist frei von Urteilen und Bewertungen. Die Freude am Sein, das wahre tiefe Gefühl von Glück, kann nicht durch irgendein Ereignis, einen Besitz, eine Leistung oder durch andere Menschen zu dir kommen. Sie ist in dir und immer da gewesen. Es ist deine wahre Essenz, die du in der Stille und im selbst gewählten Alleinsein entdecken kannst. Fernab vom Lärm der Welt und dem unkontrollierten Gedankenstrom in deinem Kopf. Losgelöst von den Geschichten über dich, die du dir in deinen Gedanken selbst erzählst und die dir von deinen Mitmenschen über dich erzählt werden.
Betritt diesen Raum täglich. Nimm dir Zeit und geh in die Stille. Atme. Lass sein und gib dich dem Fluss des Atems hin. Fühle die Luft, wie sie kalt durch deine Nasenlöcher einströmt und langsam durch deinen Brustkorb einfließt, um dann ebenso sanft wieder warm aus dir herauszuströmen.
Trau dich, dich selbst kennenzulernen
Du wirst dich wundern, welch ein zauberhaftes Wesen dir da entgegen leuchtet. Dafür musst du niemanden verlassen, dich nicht trennen und keine Angst haben vor dem, was du da erblicken wirst. Wenn du dich aber vielleicht jetzt gerade in einer Phase befindest, in der du verlassen wurdest oder einen Menschen verloren hast, dann nutze sie als Chance. Bevor du dich in die nächste Beziehung stürzt oder wieder den Lärm der Welt aufsuchen willst, gib dich dir selbst hin. Lausche in dich hinein und schenke dir liebevolle Achtsamkeit. Am einfachsten gelingt dir das in der Natur, denn sie ist frei von Bewertungen. In der Natur ist es nicht komisch, wenn du dort alleine mit dir tanzt oder singst oder einfach nur bist. Vielleicht liebe ich es gerade deswegen so sehr und verbringe täglich so viel Zeit wie möglich draußen.
Mach dich stark. Lass dich ganz auf dich ein. Bewerte nichts und bleib still. Wenn dich deine Gedanken einholen, dann lass sie fließen und halte sie nicht fest. Laufe ihnen nicht hinterher und bewerte auch deine Gedanken nicht. Vielleicht magst du ein kleines Mantra benutzen: Ich bin Liebe. Und während du dieses Mantra in Gedanken wiederholst, schenke dir ein Lächeln, ein breites Lächeln. Sei sanft mit dir und lerne dich selbst genießen. Wenn du dich absolut mit dir wohlfühlen kannst, nicht wissend, wer du bist, dann ist das, was bleibt, das was du bist. Das Sein hinter dem Menschen. Ein Feld von unermesslichem, reinen Potenzial und nicht etwas, das bereits fest definiert und vorbestimmt ist.
Für dich zusammengefasst
- Lauf nicht vor dir selber weg, indem du dich in den Lärm der Welt flüchtest.
- Nimm dir kleine Mikroauszeiten nur für dich selbst und lerne dich kennen
- Mach dich frei von ständigen Bewertungen und urteile nicht
- Alleinsein macht stark, denn du bist gut so, wie du bist
- Du bist wundervoll!
Foto: © Pakphipat
Danke, dass Sie diesen Artikel geschrieben haben.
Ich erkenne mich in dem wieder.
Großes Lob an Sie
Lg Florine
Liebe Florine,
vielen Dank für das große Lob. <3 Liebste Grüße Michaela
So ein schöner Artikel. Danke, für deine motivierenden Worte an uns! Dieser Artikel wird einigen Menschen bestimmt Mut zusprechen.
LG Max
Lieber Max,
vielen Dank für deine lieben Worte. Ich wünsche dir viel Zeit mit dir selbst. 🙂
Liebe Grüße Michaela